Die wunderbare Welt der Brettspiele umfasst unzählige Facetten und eine davon ist das Genre der sogenannten „CoSims“. Doch was ist das überhaupt?
Der Begriff „CoSim“ ist die Abkürzung von „conflict simulation“, zu deutsch „Konflikt Simulation“. Das ist natürlich weit gefasst und auch wenn es hier verschiedene Auffassungen gibt was ein CoSim genau ist, sind der überwiegende Grossteil der CoSims Simulationen von historischen Konflikten. Es gibt recht wenige CoSims die einer reinen Fantasiewelt entstanden sind, und diese lasse ich hier aussen vor – einfach so. Ich darf das, denn es ist schliesslich mein Blog. 🙂
Viele nicht-Spieler und auch viele Spieler reduzieren ein CoSim auf militärische Auseinandersetzungen. Das ist nicht nur nicht ganz richtig. Natürlich gibt es CoSims, welche sich nahezu ausschliesslich mit den militärischen Aspekten eines Konfliktes auseinander setzen, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich sind alle militärischen Auseinandersetzungen politisch und/oder religiös motiviert und meines wissens gibt es keinen Krieg welcher „einfach so“ ohne Grund geführt wurde. Dazu gibt es durchaus Konflikte die nicht-militärischer Natur sind.
Nehmen wir Hannibal (1996 AH; in dt, bei Eurogames erschienen, aktuell bei Valley Games) oder Washington’s War (2010 GMT; in dt. bei Spielworxx) hier geht es primär um politischen Einfluss. Im Falle von Hannibal wird der zweite punische Krieg in vielen seiner Facetten beleuchtet – und mit Nichten rein aus militärischer Sicht. Natürlich kann man die militärischen Aspekte nicht weglassen, … Gleiches gilt für Washington’s War und viele, viele weitere Spiele die sich in einem rel. groben zeitlichen Masstab abspielen.
Natürlich gibt es auch Simulationen welche aufgrund ihres zeitlichen Ablaufs die politischen und sonstigen Rahmenbedingungen als gegeben annehmen und sich auf den rein militärischen Konflikt beschränken. Corps Command: Totensonntag (2007 LnL Publishing) ist so ein Vertreter. Das ganze Spiel simuliert 6 Tage – da kann man durchaus davon ausgehen das politische Verändungen keine Relevanz für dieses Gefecht haben. Um das Spiel zu verstehen und wieso es ist, wie es ist, sind Geschichtskenntnisse von Vorteil, ja sogar essentiell, denn ansonsten kommen einem die Siegbedingungen zwangsläufig willkürlich vor.
Aber keine Angst: Man muss kein Geschichts-Crack sein. Der Designer lässt einen nicht im dunkeln Tappen und hilft einem immer geschichtlich auf die Sprünge und dazu erklärt er oft auch warum er welche Spielmechanismen so gemacht hat wie er sich gemacht hat. Sowas nennen sich „Designer Notes“ und diese sind mir inzwischen fast wichtiger als die Regeln selber, denn sie helfen einem das Spiel in so zu verstehen wie der Autor es in den geschichtlichen Kontext eingebettet hat, was für mich extrem wichtig ist.
Genau das Gegenteil gibt es auch: CoSims in dem überhaupt kein militärischer Konflikt ausgetragen wird. Twilight Struggle (2005 GMT, in dt. bei UGG) ist so ein Vertreter (ja, TS ist für mich ganz klar ein CoSim). Der Kalte Krieg ist ein recht bekannter Konflikt, den sehr viele selber Miterlebt haben. Es gab während diesem sicher militärische Konflikte, diese sind aber überhaupt nicht (als militärischer Konflikt) Bestandteil des Spiels. Sie werden lediglich als Ereignis dargestellt, welches irgendwann eintritt. Der Kampf der Ideologien steht 100% im Mittelpunkt. Es geht um politischen Einfluss. Um Macht. Um Mehrheiten. 😉
Allen Designern geht es um eine objektive und neutrale Darstellung der historischen Ereignisse. Es wird nichts verherrlicht, nichts verdammt – es ist Geschichte die passiert ist und es wird jedem Spieler überlassen das zu interpretieren. Je nach Designer stehen natürlich unterschiedliche Dinge im Vordergrund, aber die meisten vermitteln Geschichte besser als jedes Geschichtsbuch es bei mir je vermocht hat.
Ein weiter Unterschied zu „herkömmlichen“ Spielen ist, dass man CoSims nicht gegeneinander spielt, sondern miteinander. Das wird für den Hardcore-Eurogame vermutlich am schwersten zu verstehen sein. Man versucht ein Stück Geschichte zu verstehen und geschichtliche Zusammenhänge zu begreifen. Ein CoSim spielt man zusammen und vertieft das Verständis von historischen Ereignissen.
CoSims haben also nichts mit Militarismus zu tun noch mit jeglichem politischem Gedankengut. Spieler die historisch interessiert sind landen über kurz oder lang bei CoSims. Phillip Sabin, Professor für “strategic studies” am King’s College in London, hat 2007 mit dem Buch Lost Battles z.B. einen neuen Weg beschritten. Anstatt sich darauf zu beschränken die Schlachten von Alexander, Hannibal oder Caesar als Auflistung von Ereignissen zu rekonstruieren und seine Schlussfolgerungen darzulegen, beschreibt er in dem Buch ein generisches Modell mit dem sich jede Schlacht der Antike rekonstruieren lässt und liefert gleich die notwendige Analyse von 40 Schlachten um dieses auch auszuprobieren. (Sabin bedient sich dabei am Regelwerk Strategos, welches von ihm selbst 2003 entwickelt wurde)
Als logische Konsequenz ist 2011 das Buch als Reprint erschienen und gleichzeitig wurde es mit einem kompletten Satz des nötigen Spielmaterials als Spiel in kleiner Auflage produziert. Natürlich muss man nicht das gut 300 Seiten starke Buch lesen um das Spiel zu spielen. Es reicht vollkommen das nur 71 Seiten starke Regelheft zu verinnerlichen. “71 Seiten? Ja ne iss klar!” – keine Panik, neben den Szenarien, sind die Regeln sehr gut bebildert und bestehen zu >50% aus Beispielen und Anmerkungen zum Spieldesign. Zudem kommt ein, nicht im Buch beschriebenes, Kampagnen-System dazu. Das Spiel ist wirklich rel. simpel und dauert auch nicht all zu lange (etwa eine Stunde pro Szenario, der Autor gibt gar 30 Minuten an). Jeder der sich auch nur einen Funken für Antike Geschichte interessiert, kann man Lost Battles als Buch wie auch als Spiel (welches das Buch enthält!) ohne Einschränkung empfehlen.
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“ (Helmut Kohl)
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen“ (George Santayana)