Der DSP war nie unumstritten in der Spielerschaft. Auf der einen Seite zeigt der Preis natürlich (zumindest seit 2001) was wirklich gespielt wird, aber auf der anderen Seite kann er nicht wirklich etwas Neues bieten, denn man kann ja am Ende nur für das Abstimmen was man auch kennt. Am Ende soll der DSP ja auch ein Spiegelbild dessen sein, was bei den Spielern „gut ankommt“ und das entspricht nach meinem Gefühl auch dem, was am Ende raus kommt. Normalerweise.
Nun darf seit 2001 im Grunde jeder bei Abstimmung zum DSP mitmachen. Dazu geht man einfach auf die Homepage des DSP und gibt seine Stimme für die Spiele seiner Wahl ab. Ob und wie man sich dort vor Fake-Accounts schützt, weiß ich nicht, aber die Ergebnisse weisen bisher keine Anomalien auf. Meine Erwartungshaltung ist, dass am Ende die Spiele auf der Liste stehen, welche auch bisher in den Spieletreffs und auf den sozialen Medien „gehyped“ werden. Alles anderes wäre höchst seltsam. Wie kann ein Spiel, was wenige kennen (oder drüber sprechen) von jetzt auf gleich bei so einer Abstimmung ganz weit vorne landen? Das wäre eine statistische Anomalie, welche man genauer untersuchen sollte. Genau so eine statistische Anomalie hat am Ende auch den DSP „Skandal“ 2000 aufgedeckt. Nun, es ist noch nicht so weit aber nun hat sich im Vorfeld etwas ereignet. Eigentlich sollte die Abstimmung zum DSP traditionell bis zum 31 Juli laufen. Also noch 4 Tage. Nun hat ein eifriger YouTuber mit dem Nick „Boardgame Digger“ vor ein paar Tagen folgendes YT Video veröffentlicht: https://www.youtube.com/watch?v=qkBZx3w-Dz0
Hier sind die ersten 5 Minuten relevant. In der Kurzfassung, in meinen Worten, erklärt er das er dem Spiel Klong! den DSP „verschaffen“ möchte und ruft dazu auf für dieses Spiel zu stimmen, weil es dann vom Verlag (Schwerkraft) angeblich eine exklusive Promo-Karte gibt, die nur die Leute bekommen, die nachweisen können beim DSP für Klong! gestimmt zu haben.
Das machte natürlich relativ schnell die Runde, und es gab wohl auch ausreichend viele Menschen, die dem Aufruf gefolgt sind. Der Merz-Verlag hat daraufhin alle Stimmen, die seit dem Aufruf eingegangen sind annulliert und die Abstimmung vorzeitig für beendet erklärt. Als Reaktion auf das Echo, was der gute Digger bekommen hat, hat er dann ein weiteres YT-Video veröffentlich: https://www.youtube.com/watch?v=8g0OhTPw4WM
Das muss man sich nicht wirklich antun, aber es gehört halt zur Story dazu. Der Höhepunkt dieses Videos ist ohne Zweifel: „Ihr habt ja alle die Spiele des Jahres Verleihung verfolgt… das war eine einzige … ja … Versammlung von Anzugträgern. Es wurde über Spiele da so emotional gesprochen als wär jemand beerdigt worden. So. Ja. Dann guckt man sich die Jury an und dann sitzt da halt ein Martin Klein darin. Der hat garantiert mehr Spiele als ich und der auch sehr erfolgreich YouTubed und auch ne versierte Ahnung hat und dann gucke ich mir die ganzen anderen Leute an und denke mir nur wer seid ihr überhaupt. Das ihr hier jetzt entscheidet wer … ja … Spiel des Jahres wird. Habt ihr überhaupt in eurem Leben schonmal gespielt? Für mich sieht das nicht so aus. Für mich sahen die Leute auch nicht so aus als hätten sie Spass beim spielen gehabt.“
Schaut es euch selbst an, bildet euch ne eigene Meinung, bevor ihr meine lest. Den ersten Tweet, den ich dazu gelesen habe war sinngemäß „da manipuliert jemand den DSP im Auftrag von nem Verlag“. Was mich zur ersten Frage kommen lässt: Ist das Manipulation? Grundsätzlich kann jeder beim DSP abstimmen und seine Freunde, Bekannten oder Follower aufzufordern ist erstmal keine direkte Manipulation am DSP, schließlich ist meine Stimme immer noch von mir abgegeben und niemanden gehen meine Beweggründe, für Axis & Allies zu stimmen, was an. Hier liegt die Sache aber nicht ganz so einfach, denn es wird mir ja etwas als Gegenleistung versprochen, bei der eigentlich sogar im Namen des Verlages gesprochen wird. Eine Super-Duper-Sonderkarte die alle, die nicht mitmachen, nie bekommen werden. (So die Versprechung)
Das ist imo sogar etwas perfide. Das ist in der Tat ein plumper Manipulationsversuch, der ganz nebenbei auf den Verlag geschoben wird, ohne dass irgendjemand den Wahrheitsgehalt prüfen kann. Was hier versucht wurde ist nix anderes als die YT Abonnenten zu instrumentalisieren um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Würde ich den YT Kanal sowieso gar nicht schauen, wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt, an dem ich ihn de-abonniert hätte. Wer für ne Super-Duper-Promokarte seine Oma verkauft, soll das tun. Aber wie armseelig ist das bitte? Es geht hier nicht um Informationen oder Austausch über unser Hobby oder gar Journalismus, es geht hier um Selbstdarstellung und nix anderes.
Unterstrichen wird das Ganze dann vom „Erklärvideo“, in dem eindrucksvoll Unwissen präsentiert wird. Wie kann man bitte einen YT Kanal „Rund um Brettspiele“ betreiben und keinen blassen Schimmer haben, wer in der Jury ist? Alda! Ist das Satire? Ich bin ehrlich gesagt etwas Sprachlos. Wenn es nicht so seltsam wäre, wäre es echt lustig.
Was diese „Aktion“ allerdings zeigt: Auch unsere kleine, überschaubare Community ist nicht immun gegenüber Instrumentalisierung und für ein „exklusives“ Promo zerstören manche mit Freude, was andere über Jahrzehnte aufgebaut haben. Aus Neid? Gier? Dummheit? Unwissen? – Ich habe keine Ahnung, aber eins weiß ich: Das ist nicht der richtige Weg.
Als ich den Aufruf im ersten Video gesehen habe, dachte ich noch, es könnte ein Versuch eines investigativen Video-Bloggers sein, um zu zeigen, wie leicht der DSP manipuliert werden kann. Nach dem zweiten Video kann ich mir das nicht mehr vorstellen, es wirkt auf mich einfach nur dumm und plump. Erschreckt hat mich insbesondere, dass er seinen Fehler nicht eingestehen will, und stattdessen auch noch damit begründet, dass die SdJ seinen Geschmack nicht trifft und nicht weiß, warum die Jury-Mitglieder qualifiziert sind, einen Kritikerpreis auszusprechen. Die Brettspiel-Szene wird dadurch nicht untergehen, aber die 15 Minuten Berühmtheit für diesen Typen sollten jetzt langsam um sein, denke ich.
Toller Kommentar! Bin absolut deiner Meinung! Gruß aus HH, Susan