Spiel der Woche: Reise zu Osiris

Übersicht pur. Schick und nützlich.

In der Kategorie „Spiel der Woche“ stelle ich heute einen relativ aktuellen Titel vor. Er ist im Juni 2018 beim Schwerkraft Verlag erschienen und nennt sich „Reise zu Osiris“ von David MacKenzie. Schwerkraft hatte 2016 mit den Titeln „Terraforming Mars“ und „Räuber der Nordsee“ auf der Messe Essen für Furore gesorgt. Terraforming Mars war ein Messehighlight (in jeder Beziehung), was es in dieser Form nicht alle Tage gibt. Schwerkraft wurde ein wenig vom Erfolg des Spieles überrascht und konnte den Bedarf auf der Messe einfach nicht decken, was zu langen Schlangen vor dem Verlagsstand geführt hat; bereits 1 Stunde vor Messeöffnung. Das hat nun dazu geführt, dass sich am nächsten Tag noch mehr Leute für das Spiel interessiert haben, was zu mehr Andrang und einer noch kürzeren Verfügbarkeit geführt hat. Das hat wiederum dazu geführt, dass manche ihren Unmut, darüber kein Exemplar ergattern zu haben, auf Twitter geäußert und dem Schwerkraft Verlag den ein oder anderen wilden Vorwurf gemacht haben. Was immer Dieser versucht hat um seine Kunden zufrieden zu stellen war scheinbar falsch. Dabei ist das Einzige, was sich der Verlag vorwerfen kann, die Tatsache nicht mit einer wesentlich höheren Erstauflage das Risiko des finanziellen Ruins eingegangen zu sein. Die Kunden auf der Messe hatten dafür freilich kein Verständnis und wollten „jetzt und hier“ ihr Produkt kaufen. Ich kann mir vorstellen, dass es für Carsten keine ganz angenehme Zeit war (wenn auch eine finanziell Erfolgreiche würde ich meinen), aber er wird heute sicher drüber schmunzeln können.

Der Spielplan ist die Spielhilfe.

Opa erzählt vom Krieg, ich weiß, ich weiß. Ich komme ja schon zurück zum Thema: Reise zu Osiris ist ein eher einfaches Spiel aber nicht trivial. „Anspruchsvolles Familienspiel“ sage ich zu so etwas. Es ist einfach genug, dass es als Familienspiel durch geht: Es hat kein komplexes Regelwerk mit „wenn-dann, aber nicht und hier gibt es noch zu beachten…“, aber das Spiel bietet mit 10 möglichen Aktionen durchaus einen Entscheidungsraum den man als komplex bezeichnen kann. „Wow. 10 Aktionsmöglichkeiten und nicht mal ’ne Spielhilfe?!“ – Jein. Auf dem Spielplan sind alle Aktionen intuitiv erfassbar, so dass der Spielplan als ganzes einen vollständigen Überblick der Aktionsmöglichkeiten gibt. Zudem ist jede der 10 Aktionen trivial (irgendwas nehmen und/oder abgeben oder hinstellen) und erst wenn man die Aktionen kombiniert wird es komplex.

Geheimniskrämerei hinter’m Sichtschirm.

Neben der Einfachheit ohne fehlende Spieltiefe besticht Reise zu Osiris durch einen weiteren Punkt: Interaktion. Die ist zwar nicht direkt, aber doch integraler Bestandteil aller Aktionen und somit ergibt sich kein „typisches“ EuroGame, in dem jeder Spieler vor sich hin sammelt und tüftelt und am Ende werden die Punkte verglichen. Die Aktionen beeinflussen sich untereinander nicht nur in der Art, dass man sich die Aktionen „wegschnappt“, sondern dass Aktionsmöglichkeiten sich untereinander beeinflussen und auch permanent die Aktionsmöglichkeiten des weiteren Spiels beeinträchtigen. Baut man auf einem Feld, ist dieses für den Rest des Spieles für das Sammeln von Ressourcen blockiert. Sammelt man Ressourcen, blockiert man für eine Runde einen Bauplatz. Am Ende läuft alles darauf hinaus Monumente zu bauen, denn nur so bekommt man Punkte und kann gewinnen. Diese Interaktionen sind komplexer als es den Anschein hat, und stellt die Spieler vor interessante Fragestellungen. Baut man „früh“ oder „spät“? Wie priorisiert man die Ressourcen? Spielt man „schnell“ oder „langsam“. Baut man „billig“ oder „teuer“? Das ganze geschieht auf der Basis von unvollständigen Informationen über das Spiel. Zwar kann man natürlich nachhalten, welche und wie viele Ressourcen die Spieler sammeln, jedoch kann man nur bedingt Rückschlüsse darauf ziehen was sie planen. Ein kleiner „Kniff“ an dem Spiel ist es auch, dass die Arbeiter verdeckt aus einem Beutel gezogen werden und 2 Arbeiter in jeder Runde nicht im Spiel sind (welche Arbeiter das sind kennt nur der Startspieler der Runde, was durchaus Wissen darstellt, welches vorteilhaft genutzt werden kann). Da es 3 Typen gibt (für jede Ressourcensorte ein Arbeitertyp) hat es durchaus eine eigene Dynamik, welche und wie Arbeiter eingesetzt werden. Man weiß nicht, wer welche Arbeiter hat, möglicherweise hat auch niemand anderes Arbeiter der „kritischen“ Ressource, so dass man ganz entspannt sein könnte (wenn man es denn wüsste).

Momentaufnahme.

Eine weitere Stärke ist auch, dass das Spiel keine „Multiplikatoren“ hat, d.h. Spielmechanismen wie Technologiebäume, Fortschritte oder andere Vorteile, welche einem Spieler Vorteile bringen durch das sie dann in der nächsten Runde weitere Vorteile bekommen, etc. Diese sogenannte „Schere“ existiert hier schlichtweg nicht. Nach einer „guten Runde“ startet man in die nächste Runde mit exakt den gleichen Bedingungen, wie nach einer „schlechten“ Runde. Genauso geradlinig wie die Totenbarke den Nil abwärts fährt, verläuft auch das Spiel mit anziehendem Spannungsbogen zum Ende hin, da dann in der Regel entschieden wird, ob man genau die Gebäude auch dorthin bauen kann, wo man sie auch bauen wollte.

Sicher ist es kein höchst innovatives Spiel, aber konsequent, geradlinig und (für ein EuroGame) sehr interaktiv. Das Material ist über jeden Zweifel erhaben und sicher wird es Kritiker geben, die dem Spiel das vorwerfen. Aber gerade ein Familienspiel sollte eine ansprechende Aufmachung haben. Das Auge spielt schließlich mit. Auch wenn es kein Expertenspiel auf allerhöchstem spielmechanischem Niveau ist, verbindet Reise zu Osiris einfache, schnell erfassbare Elemente zu einem komplexen und interaktiven Spielspaß der in diesem Spielesegment nicht alltäglich ist.

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Über Attila

Ich Spiele alles. Von Kinderspielen über Euro-Games, jeder Komplexität, bis hin zu CoSim's. Potentiell gibt es kein Genre, was ich nicht spiele - das Spiel muss halt für mich in der entsprechenden Gruppe einen Reiz haben. Ich mag's gerne, wenn es was länger dauert und auch etwas komplizierter ist. Wenn nicht, auch gut.
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